Dolmetscher und Übersetzer im Ausnahmezustand

Covid-19 und die Übersetzer-Branche

Es ist gerade einmal ein Jahr her, dass sich Deutschland aufgrund der Corona-Pandemie in den ersten Lockdown begeben musste und damit die gesamte Wirtschaft des Landes still stand. Dass nichts mehr so sein würde wie zuvor war schon zu diesem Zeitpunkt klar. Und auch heute ist es längst kein Geheimnis mehr: Mit der Pandemie erfahren Gesellschaft und Wirtschaft eine Komplett-Transformation.

Spätestens mit dem Beginn der dritten Welle im November letzten Jahres wird die Situation für nicht wenige Branchen äußerst kritisch. Einige von ihnen werden wohl entweder nicht länger existieren oder in komplett neuer Form fortbestehen. Darin sind sich Experten inzwischen sicher. Selbstverständlich ist nicht jede Branche gleichermaßen betroffen, aber diejenigen Berufsgruppen die zwischenmenschlichen Kontakt voraussetzen hat es in dieser Krise am härtesten getroffen. Die Möglichkeit auf Online-Angebote zurückzugreifen mag es für einige Dienstleister zwar geben, nicht aber für Friseure oder Gastronomen beispielsweise. Stark personenbezogene Dienstleistungen können oft nicht einmal auf Home-Office ausweichen.

Dolmetscher und Übersetzer haben diese Möglichkeiten auch nur im begrenzten Maß. Das Arbeitsfeld eines Übersetzers ist vielseitig, daher sind schriftliche Übersetzungen nicht das Problem. Auch hier sind zwischenmenschliche Interaktionenen im Berufsfeld der kritische Punkt. Soweit also der Beruf des Dolmetschers oder Übersetzers einen direkten zwischenmenschlichen Kontakt voraussetzt hat man mit den Corona-Kontaktbeschränkungen ein erhebliches Hindernis.

Warum ist das so?

Nicht immer sitzt der Übersetzer hinter seinem Computer und übersetzt die Rede eines/ einer Herrn/ Frau XY. Ein simultaner Übersetzer ist auf die Interaktion mit dem zu übersetzenden Subjekt angewiesen. Er muss seine/ihre Mimik und Intonation interpretieren und sie in die Übersetzung mit einfließen lassen. Der Kontakt ist für den Übersetzenden unumgänglich und ist ein wichtiger Faktor für die Qualität der Übersetzung.

Die Problemlage

Alleine im letzten Jahr ist eine Vielzahl von Aufträgen in Form von Großevents, Messen oder Konferenzen, welche Pandemie-bedingt abgesagt worden sind weggebrochen. Gerade hier hat es die freiberuflichen Dolmetscher bzw. Übersetzer besonders getroffen. Abgesehen von den abgesagten Veranstaltungen macht der starke Rückgang der Auftragslage allgemein dieser Berufsgruppe einen Strich durch die Rechnung. Bis zu 90% der Aufträge haben einzelne Dolmetscher verloren!

Daher haben sich nun die von der EU angestellten Übersetzer und Dolmetscher in Brüssel zu Wort gemeldet, indem sie einen klaren Appel an ihren Arbeitgeber gerichtet haben. In einem offiziellen Schreiben fordern diese nun aus Brüssel finanzielle Unterstützung, sowie Solidarität ein. Denn von den 1500 Freiberuflern ist seither nur noch ein Bruchteil in Gebrauch. Die meisten sind jedoch festangestellte Übersetzer und Dolmetscher. Aufgrund der Pandemie steht in Brüssel nicht einmal 20% der bisherigen Arbeit an. Auch deshalb wird es für einzelne jetzt ernst: EU-Dolmetscher wie Zigmund Stein haben inzwischen sogar Schwierigkeiten die Miete zu bezahlen. Seit Juni 2020 sind er und viele andere Freiberufler auf sich alleine gestellt und kriegen von der EU in Brüssel wenig bis gar keinen Rückhalt. Maximal vier Engagements waren es, von denen Stein im ersten Halbjahr 2020 leben musste.

Übersetzer deutschlandweit

Nicht nur die von der EU-Angestellten Dolmetscher und Übersetzer sind in ihrer Existenz bedroht. Laut einer Umfrage der ZEW Mannheim und des VGSD (Verband der Gründer und Selbstständigen in Deutschland e.V.) wurde nun festgestellt, dass von 15.000 Selbstständigen in Deutschland 13% der Übersetzer/Dolmetscher ans Aufhören denken. Alleine in 9% der befragten Teilnehmer ist während der Corona-Pandemie der komplette Umsatz weggebrochen. Daher gehen viele davon aus ihre Altersvorsorge antasten zu müssen.

Homeoffice?

Ein weiteres Problem, welches der Übersetzer in dieser Zeit lösen muss ist die Aufrechterhaltung eines Qualitätsstandards. Dolmetschen von zuhause aus ist aufgrund der technischen Rahmenbedingungen oft nicht möglich. Daher auch oft das „Homeoffice“ nicht.

Die gute Nachricht ist, dass mögliche Lösungsmodelle schon bereitstehen: Sogenannte Dolmetsch-Hubs bieten inzwischen auf höchstem technischen Standard die Möglichkeit auf einwandfreies simultan-Dolmetschen. Damit kann über räumliche Distanz z.B. auf Online-Konferenzen ein Dolmetscher uneingeschränkt übersetzen. Ein extra Techniker betreut das komplexe Systen und ermöglicht dadurch einen reibungslosen Job von/für Übersetzer. Gerade in Pandemiezeiten! Doch auch wenn dieses Tool noch nicht überall in Deutschland zur Verfügung steht existieren bereits vier Hubs in Stuttgart und bundesweit entstehen nun mehr.

Schon im letzten Jahr hat der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ) ein Positionspapier publiziert, in dem besonders für die Freiberuflichen klar Anspruch auf praktische, wie finanzielle Unterstützung erhoben wird. Darin wird u.a. zum Schulterschluss verschiedener Verbände aufgerufen. Erste solidarische Reaktionen sind schon zu beobachten: Die Grünenfraktion unterstützt das Schreiben des BDÜ und bestätigt die Unterstützung von Solo-Selbständigen. Doch es steht noch ein langer Weg bevor. Und auch wenn weltweit die Pandemie langsam aber sicher zurückgedrängt wird: Die Krise hält weiter an. Es bleibt weiterhin zu hoffen, dass Personendienstleister, wie Dolmetscher und Übersetzer in dieser Krise unterstützt werden und durch die Bundesregierung Zuspruch erhalten.