Pandemie vorbei. Was nun?

Eine Zukunftsperspektive für die Übersetzerbranche nach der Corona-Krise

Man mag derzeit die weltweite Pandemielage unterschiedlich einschätzen. Beinahe anderthalb Jahre Corona-Ausnahmezustand liegen schließlich schon zurück. Und nun ist von der Vorherrschaft der Delta-Variante die Rede. Auch auf Bundesebene breitet sich die Delta-Variante des Coronavirus trotz voranschreitender Impfkampagne aus und könnte zu einer vierten Welle werden. Doch es wäre kurzsichtig, würde man sich nicht jetzt schon darüber Gedanken machen was nach dem coronamäßigen Ausnahmezustand ist. Auch Experten und Zukunftsforscher setzen sich mehr oder weniger intensiv mit dieser Frage auseinander und versuchen diese aus wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Sicht zu beleuchten.

Zu Beginn der Pandemie und im Laufe der Jahres 2020 wurde eine ganze Reihe von Berufsgruppen und Branchen aufs Härteste getroffen. Mitunter konnten sich die ein oder Anderen inzwischen erholen bzw. konnten vom Notbetrieb wieder auf Normalbetrieb umstellen. Seit Juni diesen Jahres können Dolmetscher in Rheinland-Pfalz offiziell wieder unter Hygieneauflagen in Präsenz praktizieren. Der Erholungsvorgang geht in der Übersetzer- und Dolmetscherbranche insgesamt aber eher schleppend vonstatten. Dennoch muss man sich fragen was die Perpektiven und Aussichten der Übersetzer und Dolmetscher in einer präpandemischen Epoche mit sich bringen. Sie bietet nämlich Chance und Herausforderung zugleich.

„Neuland“ Internet

Die Pandemie hat in der Bundesrepublik grundsätzliche Probleme hervorgehoben und verstärkt. Die Digitalisierung geht besonders auf der Bildungsebene, sowie auf der wirtschaftlichen sehr zäh vonstatten. Die darunter Leidenden sind u.a. Schülerinnen und Schüler und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in kleineren Betrieben, die auf einen reibungslosen, digitalen Zugang angewiesen sind. Quasi über Nacht mussten ganze Branchen plötzlich auf Onlinebetrieb umgestellt werden. Oftmals mehr schlecht als recht. Diejenigen Berufsgruppen oder Dienstleister, die einen Präsensbetrieb voraussetzen waren erstmal  die Verlierer der Krise. So zum Beispiel die Gastronomen, Friseure, Hoteliere etc. Die Gewinner waren Zoom und co. Tools, die den Berufsalltag während der Pandemie einigermaßen normalisieren sollten oder zumindest überhaupt ermöglichen. Die Nachfrage für solche oder ähnliche Tools explodierte sozusagen. Dolmetscher taten sich erst einmal schwer unter diesen gegebenen Umständen eine qualitiativ gleichwertige Arbeit liefern zu können. Schwache Verbindungen oder mangelnden technische Voraussetzungen gefährden einen einwandfreien Übersetzungsbetrieb und erschweren somit Kommunikation auf internationaler Ebene.

Diesem Problem soll nun gezielt entgegengewirkt werden. KI ist die Antwort der Tech-Konzerne auf derartige Schwierigkeiten. Jüngst hat nun ein Tech-Start-up aus Karlsruhe ein System für maschinelles Übersetzen in Echtzeit entwickelt. In Videokonferenzen sollen nun in Zukunft  eine Unterhaltung problemlos und automatisiert per Untertitel übersetzt werden und somit eine nahtlose Kommunikation stattfinden. Der Global Player Zoom hat nun im Juni offfiziell angekündigt das Karlsruher Start-up mit seiner innovativen Software sich ins Unternehmen zu holen.

Mensch oder Maschine?

Es scheint so als sei mal wieder die KI-basierte Lösung gegenüber der menschlichen Übersetzungsdienstleistung  dominant. Ist die Maschine, die den Dolmetscher ersetzt also nicht mehr länger Zukunftsmusik? DeepL und andere Programme sind inzwischen längst zu Übersetzungsdiensten für den Allzweck geworden.

Man sollte sich nicht täuschen lassen. Solche technischen Innovationen stellen noch lange keine ernsthafte Gefahr für das klassische Berufsprofil des Übersetzers bzw. des Dolmetschers dar. Bei der Entwicklung, Prüfung und dem Training solcher Neuerungen spielt immer noch der Mensch die Hauptrolle. Rein qualitativ sind „menschliche“  Übersetzungen unabdingbar, da KI-basierte Übersetzungen nicht den Service einer Nuancierung oder einer inhatlichen, qualitativen Schwerpunktsetzung verfügen.

Übersetzer und Dolmetscher sollten daher weniger in feindseeliger Rivalität mit automatisierten Übersetzungssoftwares stehen, sondern in Zukunft mit diesen kooperieren. Um professionelle Übersetzungen in Zukunft schneller und zuverlässiger zu liefern können Übersetzer und Dolmetscher von derartigen Programmen profitieren. Ergebnisse können immer noch von menschlicher Hand zur Perfektion gebracht werden. Und solange profesionelle Sprachdienstleister immer wieder unter Beweis stellen, dass sie für die Businesswelt schlichtweg unverzichtbar sind, bleiben sie es auch.

Technische Rahmenbedingungen

Insgesamt hat die Coronakrise aufgezeigt, dass in Sachen Digitalisierung die deutsche Infrastruktur deutlich hinterherhinkt. Auch die Sprachdiensteistungsbranche zeigte deutliche Defizite. Oftmals mussten kreative Lösungen her, wie man einwandfreie Übersetzungen trotz räumlicher Distanz ermöglichen konnte. In der Praxis bedeute es z.B. die Einrichtung von Dolmetscheranlagen, sogenannten Dolmetscher-Hubs in denen Dolmetscher und Übersetzer Remote, also nicht in unmittelbarer Nähe der Konferenz, übersetzen können. Dazu betreuen Techniker vor Ort das zu übersetzende Event und ermöglichen hochwertige Audio- und Videoqualität für den Übersetzer, der sich so nicht weiter um die technischen Rahmenbedingungen sorgen muss.

Aber nicht immer hat ein freiberuflicher Übersetzer die Möglichkeit auf so eine technische Innovation zugreifen zu können. Hier gilt: Beim Simultandolmetschen von zuhause aus sollten die technischen Rahmendingungen stimmen. Das heißt konkret, dass Dolmetscher dafür Sorge zu tragen haben, dass die Hardware und Software für Onlinekonferenzen die bestmöglichen Ergebnisse liefert. Die Krise hat gezeigt wie entscheidend es sein kann eine technisch profesionelle Ausstattung zu besitzen. Dabei kann schon ein gut funktionierendes Internet einen Unterschied wie Tag und Nacht ausmachen. Daher: Auch in Zukunft sollten Übersetzer und Dolmetscher für den Onlinebetrieb besser gerüstet sein und deshalb technisch aufstocken. Professionelle Kamera, großer Monitor,  LED-Lichter und ein seperates Mikrofon werden die Sprachdienstleistung optimieren. Wenn also Betriebe oder Unternehmen sich entschließen Konferenzen oder Meetings auch in Zukunft im Onlinebetrieb zu lassen bzw. über Tools, wie Zoom, dann sollten Übersetzer hierfür stets gerüstet sein.

Beruf mit Perspektive

Es ist in der näheren Vergangenheit immer wieder deutlich geworden, dass Übersetzer bzw. Dolmetscher in staatlichen Verantwortungsbereichen oder in Krisen-Schnittstellen systemrelevant sind. Gerade im Gesundheitswesen ermöglichten sie eine eindeutige Übermittlung von entscheidenden Informationen in Pandemiezeiten. In Schlüsselpositionen gewährleisten sie eine gute und schnelle internationale Kommunikation für Unternehmen, Konzerne und sogar ganze Regierungen. Aktuell  fordert der BDÜ (Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer) einen verstärkten Einsatz von qualifizierten Übersetzern für die Impfkampagne um auch den nichtdeutsch-sprachigen Bervölkerungsanteil in der Bundesrepublik besser erreichen zu können. Damit ermögliche diese die Überwindung von Sprachbarrieren und beschleunigen dadurch im Besten Fall die Impfquote im Land.

Die Übersetzer- und Dolmetscherbranche kann man daher zurecht als systemrelevant einstufen. Sie bilden eine wichtige Schnittstelle und erweisen sich mehr und mehr als unverzichtbare Berufsgruppe in einer weltweiten Krise. Auch in Zukunft sollten Dolmetscher und Übersetzer als wichtige Partner in Wirtschaft, Politik und im Gesundheitswesen angesehen und involviert werden. Es bietet sich hier also eine Chance, dass die Branche der Sprachdienstleister nicht nur als systemrelevant, sondern auch als staatstragend angesehen werden kann. Und das ist nicht nur eine Imagefrage, es bietet für die Branche die Möglichkeit weiter Zulauf und Nachwuchs fördern zu können und gezielt auf diese Perspektive auszurichten.

Daher muss man selbstverständlich die Herausforderungen, die sich aus der Pandemie ergeben nutzen, Notfalls Mißstände ausbauen und gerade in Krisenzeiten Chancen ergreifen um nicht nur wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu bleiben, sondern sogar die Zukunft der Übersetz- und Dolmetscherbranche mitzugestalten.